Freddy Quinn & Michael Naumann: "Wir"

Gegen Ende der Sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts sang der österreichische Seemann Freddy Quinn ein Lied, mit dem er – als hätte es die BILD nicht gegeben – all denen eine Stimme gab , die genug hatten von protestierenden, randalierenden Jugendlichen, die sich gestört fühlten durch die ständige Fragerei an die Elterngeneration, was sie eigentlich von 1933 bis 1945 so getrieben hatte. Mit flottem Beat wurden hier so ziemlich sämtliche Vorurteile heruntermarschiert, die beispielsweise auch in meinem Elternhaus gepflegt wurden  – obwohl das durchaus mit der Gnade der späten Geburt versehen war.  Der Song ging so:
Wer will nicht mit Gammlern verwechselt werden? WIR!
Wer sorgt sich um den Frieden auf Erden? WIR!
Ihr lungert herum in Parks und in Gassen,
wer kann eure sinnlose Faulheit nicht fassen? WIR! WIR! WIR!


Wer hat den Mut, für euch sich zu schämen? WIR!
Wer läßt sich unsere Zukunft nicht nehmen?WIR!
Wer sieht euch alte Kirchen beschmieren,
und muß vor euch jede Achtung verlieren? WIR! WIR! WIR!


Denn jemand muß da sein, der nicht nur vernichtet,
der uns unseren Glauben erhält,
der lernt, der sich bildet, sein Pensum verrichtet,
zum Aufbau der morgigen Welt.


Die Welt von Morgen sind bereits heute WIR!
Wer bleibt nichtewig die lautstarke Meute? WIR!
Wer sagt sogar, daß Arbeit nur schändet,
so gelangweilt, so maßlos geblendet? IHR! IHR! IHR!


Wer will nochmal mit euch offen sprechen? WIR!
Wer hat natürlich auch seine Schwächen? WIR!
Wer hat sogar so ähnliche Maschen,
auch lange Haare, nur sind sie gewaschen? WIR! WIR! WIR!


Auch wir sind für Härte,
auch wir tragen Bärte,
auch wir geh´n oft viel zu weit.
Doch manchmal in guten, in stillen Minuten,
da tut uns verschiedenes leid.


Wer hat noch nicht die Hoffnung verloren? WIR!
Und dankt noch denen, die uns geboren? WIR!
Doch wer will weiter nur protestieren,
bis nichts mehr da ist zum protestieren? IHR! IHR! IHR!
Heute lese ich auf dem iPad die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Cicero", die eingeleitet wird durch ein Vidio Video Videtorial – doch, die nennen das wirklich so – von Chefredakteur Michael Naumann, der hier unter anderem über die Titelgeschichte "Vorbild Deutschland" spricht:
Wir sind eine Nation, die gerne jammert. Das tun wir schon seit Jahrhunderten. Woran das liegt? Nun, wir haben uns selber nicht immer richtig benommen, auch untereinander nicht, aber das ist eine Art leitkultureller Eigenschaft von uns geworden – uns schlechter zu machen, als wir sind. Wir zeigen in diesem Heft, worin wir wirklich gut sind. 
So geht der Quatsch noch gut drei Minuten weiter, entscheidend scheint mir bei dem ausgewählten Zitat, dass Michael Naumann und Freddy Quinn Brüder im Geiste sind. Hier nochmal die Ausschnitte, die das belegen.  
Michi sagt:  
...wir haben uns selber nicht immer richtig benommen,...
Freddy singt:  
...wir geh´n oft viel zu weit....
Aber es gibt eben doch Unterschiede.
Freddy nämlich bedauert noch das Geschehene:
Doch manchmal in guten, in stillen Minuten,
da tut uns verschiedenes leid.
Während Michi einfach nur stolz ist:
Wir zeigen in diesem Heft, worin wir wirklich gut sind.
Na dann. Ist ja auch lange genug her. Muss ja auch mal Schluss sein mit der Vergangenheitsbewältigung. Und ob das nun wirklich sechs Millionen waren, die da (um mit Freddy zu sprechen) "verschieden" sind, da kann man ja auch drüber streiten...

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