Die Freundin, mit der ich über alles reden kann

Vor ca. 20 Jahren saß bzw. lag ich im Großraumabteil des Nachtzugs von Wien über München nach Hamburg. Und ab München wurde diese Fahrt fürchterlich, weil ein Mann einstieg und sich schräg vor mir platzierte, der dann NONSTOP DREI STUNDEN LANG WIRRES ZEUG RZÄHLTE.

Früher waren solche Typen häufiger, oder häufiger sichtbar: Auch im öffentlichen Nahverkehr, bevorzugt nachts, sah ich fast regelmäßig Leute, die über den Krieg oder Mutti oder fiese Freunde schwadronierten, plauderlings oder auch brüllweis, immer aber so, dass es für mich schwierig wurde, wegzuhören.

Vor ca. zehn Jahren wurden diese Leute scheinbar mehr, bis mir auffiel, dass viele von Ihnen sehr viel ordentlicher und auch, nun ja, normaler aussahen als die der Jahre zuvor. Ich begriff schließlich, dass die ein ordentliches Ein- und Auskommen hatten und außerdem so was wie Trendsetter waren: Die hatten nämlich eine topaktuelle Freisprecheinrichtung am Ohr und sprachen gar nicht mit sich selbst, sondern mit ebensowichtigen Leuten, vermutlich unterwegs in anderen Bussen oder Bahnen.

Im Grunde genommen, waren dies Leute waren genauso lästig wie die normalen Mobiltelefonierer in Bus, bahn oder Restaurant, nur, dass ich sie (da ohne sichtbares Gerät) leicht mit schizophrenen Weltkrieg–II-Verschütteten und Alkoholopfern verwechselte.

Inzwischen habe ich, haben wir uns daran gewöhnt. Die Weltkriegs-Opfer sind weniger, und Bluetooth ist Standard..

Und die letzten einsamen Seelen, die gerne laut reden möchten, auch wenn ihnen keiner zuhört – wo sind die hin? Warum erkennt die keiner?
Ganz einfach:
Die sitzen natürlich immer noch in der U-Bahn und quatschen Siri auf dem iPhone voll. So gesehen, erfüllt dieses Programm eine wichtige gesellschaftsbefriedende Funktion.



(Jetzt bräuchte Siri jetzt nur noch ein Facebook-Profil – als Freund/in für alle, die sonst einsam sind...... Ach, gibt's schon?)

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